Jugendburg Ludwigstein

 

Die Burg Ludwigstein (Hessen, bei Kassel) wurde 1415/16 als Grenzbefestigung und Verwaltungssitz errichtet. Bis 1604 wurde sie laufend mit Wohn- und Arbeitsquartieren erweitert. Als 1664 der Sitz der Verwaltung nach Witzenhausen verlegt wurde, verlor die Burg an Bedeutung. Bis ins 19. Jahrhundert diente sie der landwirtschaftlichen Nutzung des Umlandes. Dann folgte der allmähliche Rückbau der Anlage.

Als um 1900 die Wandervogelbewegung aufkam, wurde die Region zum beliebten Ausflugsziel. Auf dem Hohen Meißner – knapp 15 Kilometer von der Burg entfernt – fand 1913 der "Erste Freideutsche Jugendtag" statt. 2‘000 bis 3‘000 Jugendliche aus den verschiedensten Jugendgruppen trafen sich dort zu einem „Fest der Jugend“. In diesem ersten, grossen Zusammentreffen der Jugend als abgrenzbare Sozialgruppe forderten die TeilnehmerInnen mehr Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und "innere Wahrhaftigkeit" für ihre Altersgenossen. Diese „Meißner-Formel“ sollte die Jugendbewegung für Jahrzehnte prägen. Das alkohol- und tabakfreie Fest war aber auch ein erstes Fanal einer neuen, lebensreformerischen Lebensweise, die vor allem bei den Jugendlichen viel Anklang fand. Die bis dahin stark zerfallene Burg Ludwigstein wurde 1920 von Mitgliedern der Jugendbewegung gekauft und zur Jugendherberge ausgebaut. Als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt wurde, befand sich die Burg plötzlich an der stark bewachten innerdeutschen Grenze. Trotzdem blieben die Jugendgruppen weiterhin aktiv und belebten ihre „Jugendburg“ in der Nachkriegszeit durch Ferienlager und Jugendtreffen wieder neu.

Weil die Jugendbewegung schon sehr früh an ihrer eigenen Historisierung arbeitete, wurde bereits 1922 das „Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung“ auf der Burg gegründet. Nachdem die Nationalsozialisten die Bestände 1941 nach Berlin verlegten, ging die Sammlung in den Zerstörungen des Krieges verloren. Schon 1946 folgte jedoch der Wiederaufbau des Archivs. Heute gehört das „Archiv der deutschen Jugendbewegung“ zu den wichtigsten Anlaufstellen für die historische Jugendforschung. Auch Quellen zur Lebensreform sind reichlich vorhanden. Die alljährliche Tagung auf der Burg bietet nicht nur die Möglichkeit, die aktuelle Forschung zu verfolgen, der Aufenthalt in der Jugendherberge und ein Spaziergang in Richtung des Hohen Meißners lässt die Geschichte der Jugendbewegung erfahrbar werden. 

Noch bis zum 30. September 2017 ist im Archiv eine kleine Ausstellung unter dem Titel "Gegen Sumpf und Fäulnis – leuchtender Menschheitsmorgen“ zu sehen. Es geht um die vielfältigen Verbindungen zwischen der Jugend- und Lebensreformbewegung. Ein Bericht zur letzten Tagung „Avantgarden der Biopolitik. Jugendbewegung, Lebensreform und Strategien ‚biologischer Aufrüstung‘" gibt es auf Zeitgeschichte-online.

 

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