Im transcript Verlag ist der Sammelband "Wissenskrisen – Krisenwissen: Zum Umgang mit Krisenzuständen in und durch Wissenschaft und Technik" mit meinem Artikel "Rohkost und heiße Bäder gegen die 'Spanische Grippe'? Wissenskrise und Deutungskampf in der Pandemie" erschienen (Open Access eBook). Ich gehe darin der Frage nach, wie die Lebensreformbewegung auf die Grippevirus-Pandemie von 1918/19 (sogenannte Spanische Grippe) reagierte. Dabei zeigen sich viele Parallelen zu den Protesten gegen die Coronaviruspolitk der letzten Jahre: Das Tragen von Masken, Versammlungsverbote und die Entwicklung einer Impfung wurden abgelehnt. Stattdessen sollte jede/r Einzelne die eigene Gesundheit und Abwehrkräfte mit vegetarischer Ernährung, Naturheilanwendungen und Körperpflege stärken. Die Lebensreformbewegung verlangte damit wie zuletzt die sogenannte Querdenken-Bewegung eine Individualisierung bzw. Dezentralisierung und damit Entsolidarisierung der Pandemiebewältigung.
Die Geschichte der Lebensreform in der Schweiz wird seit einigen Jahren mit wachsendem Interesse erforscht. Vor kurzem ist ein neues Buch der Historikerin Iris Blum erschienen, die sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt. Das sehr schön gestaltete und reichbebilderte Werk nimmt insbesondere die lebensreformerischen Aktivitäten in der Ostschweiz in den Fokus und richtet sich an ein breites, historisch interessiertes Publikum: "Monte Verità am Säntis - Lebensreform in der Ostschweiz, 1900-1950". Hier ist das Buch erhältlich.
Passend zum Buch ist momentan auch noch eine kleine Ausstellung zur Lebensreformbewegung in der Ostschweiz im "Appenzeller Volkskunde-Museum" in Stein zu sehen. Sie wurde ebenfalls von Iris Blum kuratiert: "Von Reformtänzerinnen und Wollapposteln"
Im Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde ist eine Rezension von Prof. Bernd Wedemeyer-Kolwe zu meiner Dissertation "Lebensreform in der Schweiz (1850–1950). Vegetarisch essen, nackt baden und im Grünen wohnen" erschienen.
Hier geht es zur Rezension.
Auf dem Themenportal Europäische Geschichte ist mein Essay zum Thema "Nackte Körper für den Frieden? Die Europäische Union für Freikörperkultur" erschienen. Darin geht es um die transnationalen Dimensionen der FKK-Bewegung in Europa. Im Fokus steht der Versuch, eine grenzüberschreitende Verständigung in Europa durch geteilte Körperpraktiken zu erreichen und dessen Scheitern im Angesicht der nationalsozialistischen Diktatur.
Auf hsozkult.de und infoclio.ch ist eine Rezension von Johannes Bosch vom Historischen Seminar der Universität Heidelberg zu meiner Dissertation "Lebensreform in der Schweiz (1850–1950). Vegetarisch essen, nackt baden und im Grünen wohnen" erschienen.
Hier geht es zur Rezension auf hsozkult.de oder auf infoclio.ch
Auf infoclio.ch ist ein Bericht von Yella Nicklaus (Universität Luzern) zum Panel "Naturvorstellungen in 'alternativen' Bewegungen und Milieus" an den 6. Schweizerischen Geschichtstagen erschienen.
Hier geht es zum Panelbericht.
Auf HSozKult ist ein Tagungsbericht von Louise Atkinson (Université Paris Nanterre) zur Online-Tagung "Die Lebensreform: Neue Themen und Perspektiven" an der Universität Fribourg erschienen: hier geht es zum Bericht.
Einige Themenfelder und Forschungsfragen unserer Tagung werden bereits im Herbst im Workshop "Die Räume der Lebensreform. Raumaneignung und Verräumlichung der Reformbewegungen (1850–1930)" am Deutschen Historischen Institut Paris aufgegriffen und weiterentwickelt. Das CfP läuft noch bis 15. Juni: hier gehts zur Beschreibung.
Mittwoch, 11. Mai, 18:15 Uhr
Raum für Literatur, Postgebäude am Bahnhof St. Gallen, 3. Stock, St. Leonhard-Strasse 40
Organisiert durch den Historischen Verein des Kantons St. Gallen
Stefan Rindlisbacher: Eine Globalgeschichte der Lebensreform
Um 1900 streben immer mehr Menschen in Europa und Nordamerika nach einem gesünderen und natürlicheren Lebensstil. Sie ernähren sich vegetarisch, legen sich nackt in die Sonne und verbringen ihre Freizeit im Schrebergarten. In vielen westlichen Ländern entstehen Naturheilanstalten, Reformhäuser und Landerziehungsheime. Der Vortrag legt dar, wie dieser Lebensstil in die Schweiz kam und welche Rolle amerikanische Vegetarierinnen, japanische Reformpädagogen und indische Yogis dabei spielten.
Anmeldung erforderlich über das Öffentliche Programm der Universität St.Gallen
Freitag, 4. März 2022, ab 19.15 Uhr
online auf Zoom: https://us02web.zoom.us/j/84517326322
Ohne Anmeldung für alle Interessierten offen
"Wollten Lebensreform und Alternativmilieu dasselbe? Ideen und Praktiken um 1900 und um 1980"
Prof. Dr. Detlef Siegfried
Die Gesellschaft durch eine Veränderung des Selbst zu verbessern, ein möglichst natürliches und ökologisches Leben zu führen oder den Körper und die Seele ganzheitlich zu denken, sind nicht nur Anliegen der Lebensreformer*innen um 1900. Auch Alternative um 1980 äußerten sich ähnlich und erprobten Lebensformen, die sich von der Mehrheit der Gesellschaft unterschieden. Aber wollten die beiden Gruppen wirklich dasselbe? Inwiefern prägten die Zeitumstände ihre Ideen und Praktiken?
Am 29. Juni–1. Juli 2022 finden an der Universität Genf die 6. Schweizerischen Geschichtstage zum Thema "Natur" statt.
Panel "Naturvorstellungen in 'alternativen' Bewegungen und Milieus"
Donnerstag, 30. Juni, 13:45 bis 15:15 Uhr
Raum M 1140
Die Entstehung „moderner“ Industrie- und Konsumgesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert ging mit einem radikalen Wandel der alltäglichen Lebenswelten einher. Die voranschreitende Verwissenschaftlichung, Technisierung und Ökonomisierung veränderten die Ernährungsweise, die Wohnformen, die Freizeitaktivitäten, die Medizin, die Religiosität und viele weitere Lebensbereiche der Menschen. Gegen diese Entwicklungen positionierten sich immer wieder „alternative“, nicht-hegemoniale Bewegungen und Milieus, die eine „natürlichere“ Lebensweise propagierten. Sie suchten beispielsweise nach neuen Formen der Spiritualität, lehnten „künstlich“ hergestellte Medikamente und Impfungen ab, bevorzugten vegetarische Speisen oder gründeten Landkommunen mit Gleichgesinnten.
Die Natur spielte für diese Bewegungen und Milieus eine entscheidende Rolle als praktisches Handlungsfeld und als Bezugsfolie der eigenen Identitätskonstruktion. Dabei gab es aber keine einheitliche Vorstellung von Natur, die alle teilten. Sie konnte als unhinterfragbare Gesetzmässigkeit erscheinen, die alle Vorgänge und Handlungen schicksalhaft vorstrukturiert, oder die materielle Natur wurde als blosse Illusion aufgefasst, hinter der sich die wahre, geistige Natur der Dinge verbirgt. Sie konnte sowohl der Abgrenzung von einer als rücksichtslos und zerstörerisch interpretierten Industriegesellschaft dienen, als auch der Legitimierung sozialdarwinistischer und rassistischer Überlegenheitsfantasien.
Das vorliegende Panel möchte anhand ausgewählter Beispiele herausfinden, wie sich unterschiedliche Naturvorstellungen auf die Deutungsmuster und Handlungsweisen von Menschen in „alternativen“ Bewegungen und Milieus auswirkten. Wir gehen auch der Frage nach, wie diese Naturvorstellungen die politischen Einstellungen, Menschenbilder und Gesellschaftsideale der untersuchten Akteur*innen beeinflussten. Im Austausch zwischen den einzelnen Referierenden suchen wir nach Verbindungslinien zwischen den Akteur*innen und fragen nach Kontinuitäten der untersuchten Naturvorstellungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Nicht zuletzt versuchen wir herauszufinden, ob diese Naturvorstellungen weiterhin in „alternativen“ Bewegungen und Milieus zirkulieren und wo sie Bestandteil hegemonialer Diskurse geworden sind. Dazu werfen wir beispielsweise einen Blick auf aktuelle Debatten über den Klimawandel oder die Corona-Pandemie.
Referate:
Die Tagung "Die Lebensreform: Neue Themen und Perspektiven" wird am 4. und 5. März 2022 online auf Zoom durchgeführt. In den vier
Panels „Transfer und Verflechtung“, „Gender, Sexualitäten und Missbrauch“, „Kolonialismus und postkoloniale Perspektive“ und „Pandemie, Protest und Gesundheitspolitik“ werden neue Ansätze und
Methoden in der Erforschung der Geschichte der Lebensreform vorgestellt und diskutiert. Siehe den Flyer für das vollständige Programm.
Die Tagung steht allen Interessierten offen. Bitte melden Sie sich an, um den Teilnahme-Link zu erhalten: stefan.rindlisbacher@unifr.ch
Die Keynote Lecture mit Prof. Detlef Siegfried (Universität Kopenhagen) über die Kontinuitäten zwischen Lebensreform um 1900 und Alternativmilieu um 1980 findet am Freitagabend, 4. März ab 19.15 Uhr online auf Zoom statt. Für die Teilnahme ist keine Anmeldung erforderlich. Zoom-Link: https://us02web.zoom.us/j/84517326322
Lebensreform in der Schweiz (1850–1950): Vegetarisch essen, nackt baden und im Grünen wohnen (500 Seiten), ISBN 9783631868294
Immer mehr Menschen achten heute auf eine möglichst vegetarische Ernährung mit biologisch hergestellten Lebensmitteln, sie trainieren ihren Körper mit Yoga, Gymnastik und Achtsamkeitsübungen und vertrauen auf naturheilkundliche Behandlungsmethoden. Ihre Freizeit verbringen sie in der freien Natur bei Sport, Wanderungen und Bergtouren und auch ihr Zuhause soll möglichst im Grünen liegen. Die vorliegende Studie untersucht die historischen Ursprünge dieser Suche nach einem gesunden und naturverbundenen Lebensstil in der modernen Gesellschaft. Sie erzählt und analysiert die Geschichte der Lebensreform in der Schweiz zwischen 1850 und 1950 in ihrer dynamischen Vielgestaltigkeit und konzentriert sich im Besonderen auf die Naturheilbewegung, den Vegetarismus, die Jugendbewegung, die Reformpädagogik und die Freiwirtschaft.
Die Publikation ist als Buch oder kostenfreies PDF, ePUB, MOBI beim Peter Lang Verlag oder im Buchhandel (z.B. ex libris) erhältlich. Sie können gerne zur Verbreitung der Publikation beitragen, indem Sie das eBook teilen und zum Download anbieten.
Rezensionen:
Johannes Bosch auf hsozkult.de und infoclio.ch
Bernd Wedemeyer-Kolwe im Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde
Digitaler Workshop "Laboratories of the Social: Utopian Settlements and Reform Movements in the Long 19th Century"
Organisation: Anne Kwaschik (Universität Konstanz) und Claudia Roesch (GHI Washington)
Freitag, 28. Januar 2022, 14:00–15:30
Panel 2: Naturist Discourses and Alternative Forms of Living
Chair: Andrea Westermann (University of Constance) Commentator: Robert Kramm (LMU Munich)
Siehe für das vollständige Programm den Flyer.
Kontakt und Anmeldung: Claudia Roesch (roesch@ghi-dc.org)