
Panel an den 7. Schweizerischen Geschichtstagen an der Universität Luzern
10. Juli, 9.15 Uhr - Raum HS 4 (EG)
Rechte Strömungen im Umweltschutz: Verborgen, verdrängt, wiederentdeckt?
Als sich in den 1970er und 1980er Jahren die ersten grünen Parteien in Deutschland, Österreich und der Schweiz bildeten, war keinesfalls vorprogrammiert, dass diese neue politische Kraft einen
linken Kurs einschlagen würde. Verfolgten doch einige der einflussreichsten Köpfe der grünen Bewegung, wie Herbert Gruhl, Alexander Tollmann oder Valentin Oehen, eine konservative bis
rechtsextreme Agenda. Sie waren Teil einer ökologischen Rechten, die bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Naturvorstellungen mit rechtskonservativen Werten, völkischem
Blut-und-Boden-Denken, eugenischer Bevölkerungspolitik und antisemitischen Feindbildern verknüpfte. Obwohl Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen seit den 1970er Jahren immer wieder auf diese
Kontinuitäten hinweisen, gilt der Natur- und Umweltschutz in der öffentlichen Wahrnehmung sowie dem Selbstbild dieser Bewegungen bis heute als typisch linkes Anliegen. Die Nichtbeachtung oder
Verdrängung rechtsökologischer Strömungen führt mitunter dazu, dass Teile der grünen Bewegungen nach wie vor sozialdarwinistische sowie neomalthusianische Naturkonzepte oder auch eugenische Ideen
und antisemitische Stereotype inkludieren können.
Das vorliegende Panel widmet sich der Frage nach der Bedeutung des bis heute andauernden Einflusses der ökologischen Rechten auf die Natur- und Umweltschutzbewegungen in Europa. Dabei stellt sich
außerdem die Frage, warum es der Geschichtsforschung bisher nicht gelungen ist, diese Zusammenhänge umfassend in der Geschichte der Umweltbewegungen zu verankern. Ist das etwa auf ein
Forschungsdefizit zurückzuführen, das sowohl die Umweltgeschichte als auch die Geschichte des Rechtsextremismus nach 1945 betrifft, oder wurden rechte Strömungen bewusst verdrängt und damit
unsichtbar gemacht? Welche Möglichkeiten bestehen, diese Wissenslücke im Rahmen wissenschaftlicher Studien als auch durch Bildungs- und Public History-Angebote zu schliessen?
Diesem Thema der Unsichtbarkeit und Unsichtbarmachung widmet sich das Panel besonders auch mit Fokus auf die Frauen- und Geschlechtergeschichte. Sowohl die Rolle von Frauen in rechtsökologischen
Gruppierungen sowie rechte und essentialistische vergeschlechtlichte Diskurse werden dabei in den Blick genommen. Die Bildwelten, die damit einhergehen und aktiv instrumentalisiert werden, können
mithilfe einer geschlechterhistorischen Perspektive dekonstruiert werden. Frauen unterliegen außerdem einer doppelten Unsichtbarmachung, weil sie sowohl in der Umweltgeschichte als auch in der
Geschichte des Rechtsextremismus bisher wenig beachtet wurden. Aber gerade die ökologische Rechte bot Frauen wie Ursula Haverbeck oder Renate Haußleiter-Malluche die Möglichkeit, sich aktiv in
die Bewegungsarbeit einzubringen.
Das Panel verbindet somit den Aspekt der Unsichtbarkeit bzw. Unsichtbarmachung rechter Tendenzen in der Umweltbewegung und in Umweltdiskursen mit Perspektiven aus der Rechtsextremismusforschung
und Geschlechtergeschichte.
Dr. Katharina Scharf | Universität Graz: Blinde Flecken der Umweltgeschichte? Rechte vergeschlechtlichte Diskurs- und Handlungswelten im Natur- und Umweltschutz (19./20. Jahrhundert)
Dr. Stefan Rindlisbacher | Universität Fribourg: Auf den Spuren der Lebensschutzbewegung: Umweltschutz, Biopolitik und Anti-Abtreibung nach 1945